Ein filigraner Kosmos von Phantasiewesen 
 
 

Neue Arbeiten von Wolfram Odin in der Galerie Deschler
 

Unter dem gewaltigen Thema "Menschwerdung" hat so manches Werk der bildenden Kunst zu ächzen und nur selten illustriert ein Künstler diesen Prozeß mit solcher Poesie wie Wolfram Odin. Auf seinen Leinwänden tummeln sich, immer in der Dynamik der Bewegung, Tiere, Pflanzen und Menschen mal eindeutig einer Gattung zuzuordnen, aber ebensooft auch Zwitter; halb Mensch, halb Ameise etwa. Ein feines Geflecht von Linien verbindet sie miteinander und setzt so die Metamorphosen des Lebendigen zueinander in Bezug.
Filigran fügen sich die Figuren zum Kosmos zusammen und graben sich tief in die reliefartigen, in die Dreidimensionalität erhobenen Leinwände. Ausbuchtungen strukturieren sie wie eine Landschaft. Wolfram Odin überzieht sie mit vielen Farbschichten, bevor er Schicht um Schicht wieder freilegt: mit einem Hochdruck-Wasserstrahl entstehen so seine "hydrographischen" Bilder, die Figurationen werden eingraviert.
Mit der Ausstellung "Neptuns Juwelier" erweist sich der Künstler erneut als Grenzüberschreiter, der seinen Traum von der gegenseitigen Befruchtung der Schönen Künste hegt: Zu früheren Ausstellungen improvisierten Tänzer, und Leinwände verwandelten sich in Membranen in Vibrationen versetzt durch eigens komponierte Musik.
Letztes Beispiel dieser Experimentierfreude die verspielt wirkt und in ihrem Bemühen, die Wahrnehmung zu hinterfragen, doch zutiefst ernsthaft ist wurde eine Serie von momentan vier kinetischen Objekten, die, einmal in Bewegung gesetzt, unwiderstehlich anziehen: Je zwei runde Leinwände, senkrecht verankert, öffnet und schließt sehr langsam eine Mechanik. Das erinnert an eine Venusfliegenfalle, die ein Insekt zu ihrem Opfer macht. Die wundersame Belebung des Leblosen aber ist es, was fasziniert: wenn dieses Phantasiewesen mit seinen Flügeln schlägt.

Carmen Böker
 
 
 
 

 

zurück zur Galerie

zurück zur Textseite